Die neue schwarze Romantik im Bethanien!

Interview 

Die neue schwarze Romantik im Bethanien!

Es ist düster da draußen, das stimmt. Nicht nur die Wolken hängen dunkel über der Stadt, auch die Gemüter, Nachrichten und selbst der Bahnhofskaffee auf dem Weg zum Bethanien haben alle schon mal bessere Tage gesehen. Sollte man sich unter diesen Umständen auch noch in eine Ausstellung begeben, deren Titel „Neue schwarze Romantik“ verheißt? Klare Antwort: Ja! Fürchtet euch nicht! Noch bis zum 10. Dezember können Besucher im Künstlerhaus Bethanien mit Arbeiten von 34 internationalen KünstlerInnen eine kathartische Reise in die Dunkelheit unternehmen. Wir haben zwei der Künstler stellvertretend zum – Verzeihung – erhellenden Gespräch getroffen: Die außerordentlich gut gelaunten Sven Drühl und Maik Wolf.

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Sven Drühl und Maik Wolf

Schon immer waren Menschen magisch von der Dunkelheit und ihren Geheimnissen angezogen. So erleben auch Gruselserien in verschiedensten Formen eine Renaissance, Psychothriller und der zunehmende Halloween-Hype einen nicht abreißenden Erfolg. Die Wanderausstellung, die Arbeiten von 34 internationalen KünstlerInnen zeigt, hat durch die breit gefächerte Auseinandersetzung mit der schwarzen Romantik fast schon eine kathartische Wirkung auf den Besucher. Doch egal, wie dunkel und unerträglich es bisweilen wird, man kann sich nicht abwenden. Und tut man es doch, wird man ein paar Schritte weiter wieder von Arbeiten aufgefangen, die dem Thema mit Humor begegnen.

Eine Ausstellung, die ins Innerste trifft.

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Markus Proschek, Strict Machine, 2011, Bienenwachs, Gips, Glas, Latex, Kinoplakat, Holz.

Lieber Sven, lieber Maik: Was versteht ihr unter dem Begriff der neuen schwarzen Romantik?

Sven Drühl: Der Begriff ist keiner an sich, sondern eher im Ausstellungszusammenhang zu sehen. Der Kurator Christoph Tannert wollte schauen, wie und ob zeitgenössische Künstler überhaupt mit dem Thema umgehen. Er hat da ja auch unendlich viele gefunden! Aber als Schlagwort gibt es das eigentlich nicht. Ich verstehe das auch nicht so, als würde ich unter dem Titel arbeiten, aber natürlich passen die Arbeiten in den Kontext.

cdf (undead) 2015 170 x 170 cm

Sven Drühl, C.D.F. (Undead), 2015, Öl und Silikon auf Leinwand.

Maik Wolf: Es ist ja auch so, dass die meisten Künstler schwarze Romantik gar nicht als ausschließliches Themenfeld bearbeiten. Die machen die verschiedensten Arbeiten, aber haben auch immer wieder Werkphasen, die der schwarzen Romantik zuzuordnen sind. Deswegen ist es auch schwer einen Künstler darauf festzulegen.

Maik Wolf, Ioschlot Prognostikon 2, 2015, Öl auf Leinwand.

Maik Wolf, Ioschlot Prognostikon 1, 2015, Öl auf Leinwand.

SD: Es gibt keinen Künstler, der NUR das macht. Aber es passt hier ganz gut als Headline, weil auffällig ist, dass ganz viele Künstler zu so einem Thema immer wieder arbeiten und das in allen Genres. Von Video über Skulptur bis zu Installation oder Malerei. Es gibt ganz Viele, die etwas dazu machen, weil das Thema popkulturell so breit aufgestellt ist. Es ist ja auch ein Thema, das mittlerweile von Drakula bis hin zu Zombies in jeder Serie etc. vorkommt. Bei Death-Metal-Konzerten gibt es sehr schräge Auswüchse, das ist ganz schön zu beobachten. Insofern bietet es sich als Künstler an, dazu zu arbeiten, man muss gar nicht mehr darauf zurückgehen, dass man sich „gothicmäßig“ fühlt, sondern dass man vielleicht nur auf die popkulturellen Phänomene Bezug nimmt, in denen das verhandelt wird.

Du, Maik, würdest das wahrscheinlich ganz anders sehen, weil du ja ganz anders arbeitest?

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Berthold Bock, Sumpfnacht, 2015, Öl auf Leinwand.

MW: Gothic Novels gab es schon im 18. Jahrhundert, das ist in England entstanden und war zumeist Krimi- und Gruselliteratur. Die haben den Begriff schon benutzt, es war die englische Umschreibung von schwarzer Romantik, also ist der Begriff an sich schon ein kunsthistorischer. 

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Jan Vytiska, Black Sabbath, 2012, Acryl auf Leinwand.

Die Zeitschrift MONOPOL widmete dem „neuen Hang zur schwarzen Romantik“ sogar einen Titel. Aber gab es diesen Hang nicht schon immer? Oder ist es tatsächlich eine Reaktion auf neue Realitäten und Unsicherheiten?

MW: Ich würde sagen gar nicht. Das war schon immer kontinuierlich. Seit der Romantik hat es das immer als Spielart gegeben: Sobald es Romantiker gab, gab es auch die schwarzen Romantiker. Die haben sich ausgetobt und das Thema bis zum Ende weitergesponnen, da sind dann Sachen wie Todessehnsucht, Abgründe und das rein Emotionale entstanden. Einen richtigen Bruch kann man da nie erkennen, auch durch die Medien nicht. Es fing in der Literatur an, dann hat es die Malerei aufgegriffen, später die Fotografie, dann ging es weiter im Kino mit den ganzen Vampirfilmen.

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Martin Eder, A Raindrop Falling Into the Sea, 2017, Öl auf Leinwand.

SD: Wenn man genauer nachschauen würde, könnte man in jedem Jahrzehnt Arbeiten dazu finden, aber es gibt natürlich Phasen, in denen es nicht so ein breites Thema war. Klar, es gab immer noch einzelne Künstler, die dazu gearbeitet haben, aber jetzt finde ich schon, dass es bei den Youngsters – da zähle ich mich jetzt mal nicht mehr dazu – wieder verstärkt da ist. Als ich 2005 die ersten rein schwarzen Bilder machte, machte das sonst niemand. Die Galeristen haben sich an den Kopf gefasst! Schwarzes Bild? Bist du irre? Und schon 4 bis 5 Jahre später haben viele Künstler schwarze Bilder gemalt. Es war deutlich zu beobachten, dass die Farbe Schwarz eine Art Revival hatte in den letzten 10 Jahren und das war vorher nicht denkbar. Schwarz war eine echte Unfarbe.

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Sàndor Szàsz, Origin, 2012, Öl auf Leinwand

MW: Wenn man es über 200 Jahre beobachten würde, würde ich schon sagen, es ist kontinuierlich, da ist es eigentlich nie abgerissen. Es war nie angestaubt und wurde in die Ecke gestellt, sondern ist immer vital geblieben.

SD: Der Blick ist eben ein anderer geworden.

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Alexandra Baumgartner, 2 Harps, 2016, Holz, Lack, Schnüre.

Vielleicht passt es gerade einfach gut zur Realität der Gegenwart. Man hat das Gefühl alles wird unsicherer, dunkler.

SD: Und spätestens wenn die MONOPOL so etwas titelt, weiß man ja eigentlich es ist schon ganz lange durch das Thema. (lacht)

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Markus Proschek, Haus der Kunst – Das Urteil, 2006, Öl auf Leinwand.

MW: Kunst speist sich eigentlich immer aus dem Alltag und der Realität der Künstler. Die leben ja auch immer in einem Umfeld von sowohl Romantik als auch „schwarzer Romantik“. Alles, was man als aufgeklärt und rational darstellt heutzutage, alles worüber man in der Zeitung lesen kann, steht ja im krassen Gegensatz zu dem, was die Leute wirklich sehen können. Vieles, was jetzt passiert ist irrational und emotionsgespeist und eben nicht aufgeklärt und rational. Ich glaube, das ist zu allen Zeiten so gewesen, von den klassischen Romantikern im 19. Jahrhundert an. Die sind im Grunde genommen aus der Aufklärung gekommen und haben gesehen, dass es in vielen Bereichen überhaupt nicht übereinstimmt mit dem, was sie wahrnehmen. Deswegen haben sie so reagiert. Heute ist das genauso. Künstler können darauf eingehen und das abbilden.

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Ruprecht von Kaufmann, Schwimmflügel (This is not a Life SavingDevice, Acryl und Öl auf Leinwand.

Romantik als auch schwarze Romantik sind auch immer Fluchten für die Menschen. Ich projiziere aber natürlich meine Realität mit auf die Arbeiten. Spielen aktuelle Realitäten eine Rolle in euren Arbeiten?

SD: In der Ausstellung sind 34 KünstlerInnen, wir sind ja nur stellvertretend hier. Die Bandbreite der Antworten wäre da sicherlich sehr groß. Was in der Schau deutlich zu sehen ist, ist dass es einen naiv-romantischen Ansatz gibt, es gibt aber auch Künstler, die sich mit den Mythen von Romantik und schwarzer Romantik auseinandersetzen, aber es gibt auch popkulturelle oder ganz konzeptuelle Ansätze, bei denen sich die Künstler ganz intensiv mit Kontexten auseinandergesetzen.

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Alexandra Baumgartner Kosmos, 2015, Öl und Acryl auf Papier, The Coat, 2014, Öl auf Magazinausschnitt, Ohne Titel, 2014, Öl auf Leinwand, Vanitas, 2014, Foliencollage

Bei meinen Sachen ist es eher konzeptuell ­– ich beziehe mich auf alte Kunstwerke, oft auch aus der Romantik, beispielsweise auf Caspar David Friedrich oder Joseph Anton Koch. Ich habe z.B. „das Eismeer“ – DEN Klassiker der deutschen Romantik in schwarz nochmal gemacht. Die Werke dieser schwarzen Serie heissen auch noch „Undead“, Zombies, das sind für mich die Wiedergänger der Kunst: Die Gemälde, die es schon mal gab kommen in schwarz nochmal wieder. Das ist ein ganz anderer Ansatz als bei Maik, wo sehr surreale Szenen entstehen und man gar nicht mehr genau fassen kann, was das ist. Ist das eine Kopfgeburt? Geht es um Realität oder verschiedene Ebenen von Realität? Ist das ein Traum? Wir haben ja ganz unterschiedliche Ansätze.

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Ruprecht von Kaufmann, Die Gefährten, 2015, Öl auf Linoleum.

MW: In der Ausstellung sind alle Medien vertreten, die möglich sind und man erkennt, dass alle Künstler unterschiedlichen Zugänge haben. Alle haben zwar dasselbe Grundempfinden, aber entscheiden sich für ganz andere Umsetzungsformen. Meine Bilder sind gar nicht mit der direkten Absicht entstanden, ein Bild zur schwarzen Romantik zu machen. Mir geht es eher darum, auf das Medium zu reagieren und zu sagen ich mache z.B. eine Werkphase die ist hell, stark farbig oder weiß und jetzt empfinde ich es als Herausforderung auch eine Arbeit zu machen, die dunkel ist und schwarz. Das ist ja eine typische Herangehensweise von Künstlern, das wird immer so ein bisschen verschwiegen. Technisch und Medial, also im Bezug zum Medium denken und dann eine Herausforderung in der technischen Umsetzung suchen. Dann lege ich die romantische Grunderfahrung aus in einem Bild. Aber ich würde von mir nicht sagen, dass ich ein Konzeptkünstler bin, der sich vorher einen bestimmten Bildinhalt zurechtlegt und das dann nur noch illustriert in dem jeweiligen Medium was er gewählt hat.

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Philip Topolovac, Aggregat 24-11,2017, Mixed Media.

SD: „Das dann nur noch illustriert“? Habe ich da etwa Kritik rausgehört?

MW: Es ist eine große Kunst, dass man das nicht plakativ macht. Das liegt bei der schwarzen Romantik auf der Hand, denn es ist ganz nah an populären kulturellen Medien dran. Früher waren die Gothic Novels ja auch nicht Kunst, das waren Unterhaltungsromane. Niemand von der Hochliteratur hat das gelesen, sowas stand in Bahnhofsbuchhandlungen. Auch, als es Filme wie Nosferatu gab, hat es lange keiner ernst genommen.

Maik Wolf, Ioschlot Prognostikon 1, 2015, Öl auf Leinwand.

Maik Wolf, Ioschlot Prognostikon 2, 2015, Öl auf Leinwand.

SD: Was ich wiederum bei Maiks Arbeiten so toll finde, ist dass er ganz klassisch-romantische Sujets nimmt. Es gibt in den Werken einen Blick, der früher der Fensterblick war und erst in der Romantik aufgekommen ist. Es gab in der Romantik aber auch erstmals Grottenbilder mit einem Blick aus der Höhle auf eine strahlende Landschaft und das ist bei Maik das Gleiche. Nur dass die Landschaft keine strahlende ist, sondern eine extrem düstere, apokalyptische. Es sieht ja fast aus wie nach einem Atomkrieg, trotzdem aber ist es eine Landschaft. Und dann entdeckt man auch wieder kleine Figuren wie bei Caspar David Friedrich: das kleine Männlein in der großen Landschaft. Bei Maik gibt es eine Figur mit Taschenlampe, bei dem man gar nicht weiß, wo die ist und in welchem Größenverhältnis sie steht. Lustig, dass diese klassischen Motivstränge dort immer wieder auftauchen. Aber ganz anders, ganz zeitgemäß, ganz anders durchdacht.

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Maik Wolf

In der Ausstellung gibt es insgesamt ganz viele starke Arbeiten, in denen das Thema sehr unterschiedlich verhandelt wird. Und eben nicht nur depressiv, ernst und „ich höre Joy Division“, sondern auch ganz humorvoll wie bei Moritz Stumms „The Revenge of Kindergeburtstag“, bei dem er einfach einen Tierschädel nimmt und den vergoldet. Das ist schon sehr lustig als Installation, aber auch bildnerisch ganz gut, es bleibt ja nicht nur so Kippenberger-lustig. Die ganze Bandbreite wird hier deutlich.

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Sven Drühl

MW: Svens Werk im Bethanien ist ja die drastischste Arbeit im Zusammenhang mit schwarzer Romantik, es ist absolutes schwarz. Nur das reflektierende Licht zeigt etwas von der erkennbaren Wirklichkeit. Eigentliche eine Dopplung des Romantischen: Das Motiv ist drin, also die romantische Vorlage und die Umsetzung ist nochmal eins draufgesetzt, in dem es nur noch schwarz ist. Symbolisch gesetzt sozusagen.

SD: Es ist ja auch nur ein Ausschnitt, also nicht das ganze Gemälde, sondern ich konzentriere mich ja fast nur auf das, was wie so ein Icon für das Bild steht. Ein paar Zacken reichen und jeder erkennt es als einen Caspar David Friedrich.

Wir danken Sven Drühl und Maik Wolf für das Gespräch!

Neue Schwarze Romantik

Bis 10. Dezember 2017 | Dienstag–Sonntag 14 – 19 Uhr

Bethanien Künstlerhaus | Kottbusse­­­­­r Straße 10 | 10999 Berlin

Teilnehmende Künstler: Greta Alfaro / Alexandra Baumgartner / Berthold Bock / Roland Boden / Sven Drühl / Martin Eder / Axel Geis / Anders Grønlien / Bertram Hasenauer / Susann Maria Hempel / Gregor Hildebrandt / Tommy Høvik / Lisa Junghanß / Krištof Kintera / Andrey Klassen / Michael Kunze / William Lamson / Bill Morrison / Nik Nowak / Markus Proschek / Adam Saks / Sándor Szász / Jan Šerých / Moritz Stumm / Jan Švankmajer / László Szotyory / Philip Topolovac / Iris Van Dongen / Fabrizia Vanetta / Quay Brothers / Ruprecht Von Kaufmann / Jan Vytiska / Maik Wolf / Ralf Ziervogel

Header Photo: Anders Grønlien, Killer in Sunset, 2012, Acryl auf Leinwand.

Author: Saskia Wichert

Photo Credit: Raphel Mathes