Junge Künstler 

Felix Kiessling

Der junge Künstler Felix Kiessling macht keine halben Sachen. Er studiert eigentlich noch, arbeitet aber bereits mit Olafur Eliasson im Institut für Raumexperimente und hat mit der Galerie LEVY Berlin seine erste Repräsentanz auf dem Kunstmarkt gefunden. Das künstlerische Thema von Felix Kiessling sind die Grenzen der menschlichen Wahrnehmung und artberlin.de sollte an einem Sommertag erfahren, wie sich solch ein Trip im Grenzbereich anfühlt.

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Felix Kiessling: Künstler und Grenzgänger

Der 31-jährige Künstler Felix Kiessling ist gegen jede Größenstruktur. Für ihn gibt es keine Richtung. Und überhaupt:

Bewusstheit, das ist der Zustand, der vor der Konstruktion ist.

Im Moment aber wirft Felix Kiessling neben mir auf dem Beifahrersitz unsere beiden Handys nacheinander in den Abgrund meiner Fußmatte, verheddert sich im USB Kabel, kurbelt neben her das Autofenster herunter und erzählt mir von der Philosophie, die hinter seiner Kunst steht.

Felix Kiessling nutzt die Kunst, um die Grenzen der menschlichen Wahrnehmung auszuloten. In Installationen mit nüchternen Materialien wie Gips, Stahl und Beton hantiert er mit Dimensionen und Räumlichkeit, mit Wachstum und dem Wandel der Dinge. Seine Kunst ist oft hoch konzentriert und minimalistisch in ihrer Form. Felix Kiessling versucht das Wesentliche aus der uns bekannten überfordernden Vielfalt dieser Welt heraus zu kitzeln, in dem er ein Gefühl der Leere erzeigt.

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Felix Kiessling: Neuordnung

Kennengelernt haben wir Felix bei seiner Soloshow Neuordnung, die er im Sommer 2010 in der Galerie LEVY Berlin zeigte. Alexander Levy, ein junger Galerist mit interessantem Programm und einem recht bekannten Herrn Papa in der Hamburger Galerieszene, hat ihn sozusagen entdeckt und direkt aus der Uni heraus in seine Galerie mit aufgenommen.

Zuletzt hatte Felix Kiessling Ausstellungen bei der Galerie Levy, im Museum for Contemporary Art Tokyo und mit seinem Projekt DAS NUMEN auf dem Kunstfestival ÜBER LEBENSKUNST.

Dass Felix Kiessling künstlerisches Potenzial hat, findet wohl auch Olafur Elliasson in dessen Institut für Raumexperimente Felix Kiessling regelmäßig Praxisunterricht hat.

Felix KiesslingFelix Kiessling

Felix Kiessling: Wenn ich aufbaue, dann lebe  ich da. Dann wird es intensiv.

Olafur Eliasson arbeitet immer unten, seine Schüler oben im Kunsthaus am Pfefferberg. Nach der Arbeit kommt er dann hoch und diskutiert mit uns unsere Arbeiten.

Felix Kiessling schätzt die Chance aus dem staubigen Klassenzimmer heraus zukommen und zusammen mit Wissenschaftlern freie Kunst zu machen. Überhaupt ist Felix auf gar keinen Fall alleinig im einsamen Klischee des Künstlers verhaftet, er liebt den Austausch, den Perspektivenwechsel, der seine Kunst befruchtet. Auch deshalb muss man manchmal zwei Mal hinschauen, um zu verstehen was an dem, auf den ersten Blick technisch oder wissenschaftlich Anmutenden, die Kunst ausmacht.

Felix KiesslingFelix Kiessling

Wie zum Beispiel sein Projekt DAS NUMEN –Transformation, wo er aus Spreewasser Trinkwasser destilliert oder das Grundwasser Berlins nutzt, um auf dem Parkettboden des ehrwürdigen Kunstvereins „Haus am Lützowplatz“ inmitten einer hügeligen Landschaft aus Berliner Erde riesige schwammige Pilze zu züchten, die anscheinend auch noch gut schmecken. Das Künstlerische steht gleichberechtigt neben dem Natürlichen und soll in neuen Formen über Räume nachdenken. DAS NUMEN ist damit gleichzeitig Chaos, Erfahrung und räumliche Inszenierung. Hier sehe ich Olafur Eliasson durchaus nicken.

Felix geht es darum, die Kontrolle los zu lassen. Aber jetzt hat er Lust die Betonplatte auszugraben.

Felix Kiessling

Felix Kiessling: Ich liefe das Format und den Raum. Die Zeit macht die Kunst

Felix findet das Handy mit dem Navy und wir brausen dahin. Unser Ziel ist der Wald bei Frohnau, dort hat Felix Kiessling vor einem Jahr eine Betonplatte begraben mit der Absicht sie nach einer zu bestimmenden Zeit wieder aus dem erdigen Boden zu holen. Die Platte besteht aus jenem Beton aus dem Bunker gebaut werden. Ein scheinbar unbeugsames Material, das Felix Kiessling für den Zersetzungsprozess freigegeben und damit den Waldboden beauftragt hat, den Beton zu transformieren. Ich liefe das Format und den Raum und die Zeit macht die Kunst. Felix will wissen, wie sich die Platte im Boden zersetzt und damit nichts Geringeres als die Zukunft unserer Städte simulieren.

Wir planen wie verrückt Mega Cities, dabei können sie so schnell kaputt gehen.

Felix KiesslingFelix KiesslingFelix Kiessling

Mit Felix Kiessling im Wald

Es gießt in Strömen, aber wir steigen trotzdem aus. Zwei Sekunden ist alles gut, dann fressen uns die Mücken und zwar bei lebendigem Leib. Egal, wir sind entschlossen, zumindest ist es der Künstler. Felix Kiessling hakt im feuchten dunkelbraunen Waldboden herum. Die passende Spitzhacke hat sein Galerist zufällig im Wald gefunden. Wirklich!

Felix hakt, die Mücke sticht mich in den Po, plötzlich ist Alex Levy verschwunden und unser Weg zurück auch.

Wir werden immer weniger, sagt Felix.

Nach einer halben Stunde geben wir auf, der Stechmücken wegen, und überlassen die Platte ihrem Zerfall in Mutter Erde.

Felix KiesslingFelix Kiessling

Mit Felix Kiessling und dem Vektor in der Kiesgrube

Voll gepinselt mit Stechmückensalbe machen wir uns auf den Weg zu unserer letzten Station: einem alten, wie wir feststellen werden, gar nicht verlassenen Kieswerk kurz vor dem Bernsteinsee in Brandenburg.

Zwischen unseren Sitzen ragt eine Leiter und ein schlanker Holzkasten, in dem sich gut geschützt der Vektor befindet. Einen matt glänzender schmaler Aluminiumstab hat Felix angefertigt und spiest ihn seitdem in alle möglichen Flecken der Erde.

Die Erde piercen gehen, von Berlin nach Tokio, durch stoßen

so drückt Felix seinen Umgang und den Zweck des Vektors aus. Es geht ihm darum, uns schwindelig zu machen, um die gedachte Richtung aufzulösen und hinter die Fassaden von Erscheinung und Darstellung zu blicken. Erst dann kann man Felixs Meinung nach, Bewusstheit erlangen.

Felix KiesslingFelix Kiessling

Um den Schwindeleffekt zu triggern, steckt er die Vektoren in den Boden, einen Felsen oder in Sand, so dass sie eine Diagonale zur Erde und dem Himmel bilden. Dann fotografiert er sie schräg ab. Die Ergebnisse hat er gerade im Museum of Contemporary Art Tokyo in der Ausstellung Tokyo-Berlin Vektor vorgestellt.

Was dann folgt ist Kopfverdrehen. Wir verbringen zwei zeitlose Stunden auf, zwischen und in den goldgelben Kiesbergen. Stecken den Vektor hinein, legen die Köpfe schief und rennen hinter Felix her, der aufgeladen wirkt und Energie versprüht.

Hier ist jemand, der nicht ruhen wird bis er mit seiner Kunst an die Grenzen von Bewusstheit gestoßen und über sie hinweg gegangen ist. Seine Kunst wird sich mit ihm entwickeln. Wir sagen: es lohnt sich dabei zu bleiben.

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Fotos: Tatjana Bilger

Felix Kiessling hat uns Rede und Antwort im artberlin Fragebogen gestanden.
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